Das Geheimnis der Orgel | Orgelmaus – Eine Geschichte von Abenteuer und Musik, Folge 1

Griaß Gott! Wir befinden uns in der Regensburger Minoritenkirche. Die Kirche des ehemaligen Minoritenklosters ist Teil des Historischen Museums, in dem die Kunst- und Kulturgeschichte von Regensburg und Ostbayern ausgestellt wird. In der Minoritenkirche steht eine Orgel, die 1627 von Stephan Cuntz in Nürnberg erbaut wurde. 1929 wurde sie für die Städtischen Sammlungen der Stadt Regensburg angekauft. Und sie birgt ein Geheimnis … 

Die letzten Töne des Nachspiels sind verklungen. Der Organist seufzt zufrieden und packt seine Sachen zusammen. Er streichelt kurz über die Orgel und verlässt den Raum. Husch! Husch! Zwei Mäusenasen zucken schnuppernd zwischen den Orgelpfeifen. Die feinen Schnurrhaare zittern. Die Luft ist rein.

Eine weiße Maus schlüpft aus der Orgel, eine graue Maus hüpft hinterher. „So, Maus, dann wollen wir mal prüfen, ob Du aufgepasst hast. Du weißt, als künftige Orgelmaus musst Du einen Blick dafür entwickeln, ob der Organist pfleglich mit der Orgel umgeht und wie er sie spielt. Hast Du darauf geachtet, welche Register er eingesetzt hat?“ Die weiße Maus setzt sich auf die Hinterfüße und sieht die graue Maus streng an. „Öm, naja, also … ich war … da kam doch diese Gruppe in die Kirche, und das Mädchen im roten Kleid hopste so ulkig. Ich mein‘, hinterher wäre noch was kaputtgegangen! Da habe ich gar nicht gesehen … Ach, wieso müssen Orgelmäuse sowas denn wissen? Ist doch egal, da, der Orgel geht’s doch gut!“

Die weiße Maus seufzt schwer. Jede Woche dasselbe Theater. Wenn doch nur nicht vor Jahren der komplette Wurf der Tochter und ihres Mäusemannes spurlos verschwunden wäre. Alles deutet darauf hin, dass sie Opfer einer Bande von Straßenkatzen wurden. Typisch, dass ihr einzig die halsstarrigste im Wurf bleibt, die schon damals alles anders machen wollte als andere. Immerhin rettete ihr Eigensinn ihr das Leben. So bleibt nur diese eine als Erbin der traditionsreichen Aufgabe einer Orgelmaus übrig. Eine Schande für die Gilde der Orgelmäuse! Mit Unbehagen denkt Weiße Maus an das nächste Jahrestreffen der Orgelmäuse, wo sie ihre Nachfolgerin präsentieren will. Orgelmäuse aus aller Welt reisen an und berichten von ihren Orgeln. Und die Nachfolger werden initiiert. Aber wie soll das gehen, mit dieser Maus als Nachfolgerin? Viel Zeit bleibt ihr nicht mehr, das fühlt sie. Wären die Dinge so, wie sie sich gehören, hätte sie schon vor Jahren die Pflichten als Orgelmaus an ihre Tochter weitergegeben.

Müde blickt sie Maus an. Die junge Maus ist nun wirklich nicht dumm. Manchmal erinnert dieser kleine Widerborst sie an ihre Tochter, die in ihrer Jugend auch sehr lebhaft und neugierig war. Aber dieser Sprößling hier ist so unglaublich schwierig. Immer nur Widerworte! Da, sie hüpft schon wieder zur Tür und lauscht nach Besuchern des Historischen Museums, das in der Minoritenkirche beheimatet ist.

„Nun grantel nicht! Hör‘ mal, da kommt jemand! Sollen wir nicht gucken gehen? Vielleicht sind das wieder Besucher aus einem anderen Land. Oh, ist das nicht aufregend, woher die immer kommen? Ach, ich würde so gern in diese fremden Länder reisen! Das ist doch viel spannender als diese verstaubte Orgel!“

„MAUS! Genau das ist der Punkt: es liegt an uns, dass diese Orgel nicht verstaubt und vergessen wird. Du weißt doch genau, dass unsere Familie seit Jahrhunderten Mitglieder der Gilde der Orgelmäuse ist. Das Wohl dieser Orgel liegt in unserer Obhut. Wenn du dich mal a bisserl hierfür interessieren könntest …“

„Oooch, immer dieses alte Zeugs … Dabei gibt es da draußen soviel zu entdecken! Und … und, bittschön, Abenteuer!“ Maus grinst begeistert und sieht sich schon als berühmte Reisemaus, immer unterwegs in den Ländern der Welt, von einer heroischen Tat zur nächsten. Ihre Knopfaugen leuchteten. Zujubeln würden ihr die Leute, jawohl!

„Hopfen und Malz …“ seufzt die Weiße Maus. Sie schüttelt den Kopf und verschwindet wortlos hinter der Orgel.

Die kleine, graue Maus zuckt kurz mit den Schnurrhaaren und quetscht sich dann unter der Tür hindurch. Sie rennt hurtig ins Kirchenschiff und versteckt sich hinter einer der Statuen, um die Besuchern des Museums zu beobachten und ihren Gesprächen zu lauschen …

Eine kleine Maus soll Orgelmaus werden, wie es Tradition in ihrer Familie ist. »Ihre« Orgel und die Aufgaben einer Orgelmaus kommen ihr aber zu langweilig vor. Sie will Abenteuer! In der nächsten Folge erfahren wir, ob ihr Wunsch sich erfüllt. Servus!

Text: Wibke Ladwig

Maus in der Orgel

Maus in der Orgel. Orgelmaus. Bildrechte: Pressestelle der Stadt Regensburg, Foto: Peter Ferstl, Bearbeitung: Wibke Ladwig

Mal sehen, was es heute zu entdecken gibt! (Foto: Karin Geiger, Bearbeitung: Wibke Ladwig)

Mal sehen, was es heute zu entdecken gibt! (Foto: Karin Geiger, Bearbeitung: Wibke Ladwig)

Die Weiße Maus - findet, dass die Orgelmaus manchmal einen Tacken zu leichtsinnig ist.

Die Weiße Maus – findet, dass die Orgelmaus manchmal einen Tacken zu leichtsinnig ist. – (Foto: Christian Spließ)

Maus. Solll eines Tages Orgelmaus werden. Aber sie findet das eher doof. (Foto: Wibke Ladwig)

Maus. Soll eines Tages Orgelmaus werden. Aber sie findet das eher doof. (Foto: Wibke Ladwig)

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